Einführung in das Wiki
Das Wiki zitieren.at betritt Neuland. Erstmals sollen die disziplinübergreifenden Grundregeln für das wissenschaftlichen Zitieren sowie die spezifischen Zitierregeln in den wichtigsten Wissenschaftsdisziplinen auf einen Klick dargestellt werden.
Das Wiki richtet sich sowohl an Studierende, die an österreichischen Universitäten oder Hochschulen wissenschaftliche Texte schreiben als auch an Lehrende, die diese Texte lesen, prüfen und beurteilen.
Dieses Wiki lebt vom Fachwissen der einzelnen Disziplinen: Wissenschaftler/innen von der Archäologie bis zur Zahnmedizin sind daher herzlich zur Mitarbeit eingeladen, um die Inhalte dieses Wikis zu verbessern und zu erweitern. Sie haben als österreichische/r Wissenschaftler/in auch die Möglichkeit, an einer kostenlosen Einschulung in enzyklopädisches Schreiben und Editieren mit dem Wikimedia-Editor teilzunehmen. Schreiben Sie bei Interesse einfach eine E-Mail an mitarbeit@zitieren.at.
Die forschungsleitende Frage, die dieses Wiki zu beantworten sucht, lautet:
Wie markieren (das heißt kennzeichnen und/oder belegen) die einzelnen Wissenschaftsdisziplinen fremdes Gedankengut bzw. fremdes geistiges Eigentum, wie beziehen sie sich auf ältere fremde (selten: aktuelle oder zukünftige, selten: eigene) Arbeiten?
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat 1998 die erste Denkschrift weltweit zur sogenannten „guten wissenschaftlichen Praxis“ publiziert. In dieser heißt es:
„Wissenschaftliche Arbeit beruht auf Grundprinzipien, die in allen Ländern und in allen wissenschaftlichen Disziplinen gleich sind. Allen voran steht die Ehrlichkeit gegenüber sich selbst und anderen. Sie ist zugleich ethische Norm und Grundlage der von Disziplin zu Disziplin verschiedenen Regeln wissenschaftlicher Professionalität, d. h. guter wissenschaftlicher Praxis.“[1]
Ehrlichkeit (auch Redlichkeit) ist also das wichtigste Grundprinzip der Wissenschaft, vielleicht neben dem Streben nach Wahrheit und Erkenntnis(gewinn). Ehrlichkeit ist damit auch die oberste ethische Norm. In der Wissenschaft stets ehrlich zu sein bedeutet, niemals Datenerhebungen in einem ‚erwünschten Sinne‘ zu beeinflussen und schon gar nicht Forschungsdaten zu manipulieren oder gar zu erfinden. Damit ist in Bezug auf das wissenschaftliche Zitieren aber auch gemeint, fremdes Gedankengut bzw. fremdes geistiges Eigentum immer korrekt auszuweisen. Dies gilt zweifellos für alle Wissenschaftsdisziplinen. Daraus folgt auch eine Art „Overall-Regel“ für wissenschaftliches Zitieren:
„Overall-Regel“ der „Beleg-Pflicht“:
Alles, was aus der wissenschaftlichen Fachliteratur oder aus sonstigen zitierfähigen Quellen entnommen bzw. bezogen wurde und daher nicht auf genuin eigenen Gedanken basiert sowie alles, was nicht Allgemeinwissen ist, muss immer mit einer entsprechenden Quelle belegt werden.
Aus der Ehrlichkeit als Grundprinzip der Wissenschaft und oberste Norm lassen sich zunächst fünf Grundregeln für das wissenschaftliche Zitieren ableiten, die so für alle Wissenschaftsdisziplinen verbindlich sind. Diese fünf Grundregeln wurden für dieses Wiki so neu formuliert. Als Basis diente u.a. das Dokument Beschluss_Plagiate_öffentliche_Kommunikation_MGV_2014.pdf, das in Bezug auf das Zitieren die drei Grundregeln „korrekte Zitation, Quellentransparenz und Quellenkritik“ (S. 2) anführt, die für alle Wissenschaftsdisziplinen gelten. Daraus resultieren die hier angeführten Grundregeln 1 (Quellenkritik), 2 und 4 (Quellentransparenz) sowie 3 (Korrektheit).
In einer informellen Umfrage unter Fachvertreter/inne/n der Universität Wien antwortete ein Fachvertreter: „Es gibt eigentlich nur zwei Anforderungen, die erfüllt werden müssen: Sicherstellung der leichten Auffindbarkeit isd § 57 (2) UrhG (d.h. unbedingt Seitenangaben) und Einheitlichkeit der Zitationsart (= kein Wechsel zwischen APA-Style und deutscher Zitierweise).“ Daraus resultieren die Grundregeln 4 und 5.
Ein weiterer Fachvertreter schrieb in der informellen Umfrage: „Wesentlich ist v.a. die einheitliche Zitationspraxis innerhalb einer wissenschaftlichen Arbeit, beurteilt wird dementsprechend i.d.R. die Transparenz, Vollständigkeit und Einheitlichkeit der Belege.“ Daraus resultieren die Grundregeln 2 (Transparenz), 4 (Vollständigkeit) und 5 (Einheitlichkeit).
Die fünf Grundregeln sind gleichsam der kleinste gemeinsame Nenner für das korrekte Zitieren in wissenschaftlichen Arbeiten, gültig von der Altertumswissenschaft bis zur Zoologie:
- Quellenkritischer Umgang (Grundregel der Quellenkritik): Wissenschaft zitiert in der Regel Wissenschaft oder die empirischen Gegenstände (Texte) ihrer Beschreibungen (in der Rechtswissenschaft etwa Gesetzesnormen und Judikatur, in der Theologie Bibeltexte u.a. Überlieferungen usw.). Absolute Vorsicht ist jedoch geboten, wenn sich Wissenschaft auf den Informationsgehalt von Quellen aus anderen sozialen Systemen stützt – wie etwa von massenmedialen Quellen, von Presseaussendungen politischer Parteien oder von Darstellungen kommerzieller Unternehmenswebsites – und diese nicht-wissenschaftlichen Quellen gleichrangig wie wissenschaftliche Quellen behandeln möchte. Inhalte von anderen sozialen Systemen müssen stets genau geprüft (gegengecheckt) und, wenn überhaupt, mit größter Vorsicht und mit klarem Vorbehalt zitiert werden. Manchmal sind derartige Quellen auch in der Wissenschaft gar nicht zitierfähig. Zur Quellenkritik gehört daher zuallererst immer auch die Prüfung, ob eine Quelle überhaupt zitierfähig ist. Für das Online-Lexikon Wikipedia herrscht etwa in den einzelnen Wissenschaftsdisziplinen zunehmend der Konsens, dass dies nicht der Fall ist.
- Richtigkeit der Quellenangabe(n) (erste Grundregel der Quellentransparenz): Jeder wörtlich oder sinngemäß zitierte Inhalt muss sich in der jeweils angegebenen Quelle auch wirklich befinden.[2] Wo allerdings diese Quellenangabe platziert werden soll und wie diese Quellenangabe formal auszusehen hat, das unterscheidet sich von Wissenschaftsdisziplin zu Wissenschaftsdisziplin, von Zitierkultur zu Zitierkultur, ja mitunter von Betreuer/in zu Betreuer/in.
- Korrektheit der inhaltlichen Wiedergabe(n): Vorausgesetzt, dass eine Wissenschaftsdisziplin mit wörtlichen Zitaten unter Anführungszeichen arbeitet, müssen diese stets auf Punkt und Komma originalgetreu wiedergegeben werden. Auch nicht-wörtlich zitierte Inhalte müssen stets korrekt berichtet werden. Direkte Zitate wie auch nicht-wörtlich zitierte Inhalte dürfen nicht aus dem Kontext gerissen und missinterpretiert werden.
- Vollständigkeit der Quellenangabe(n) (zweite Grundregel der Quellentransparenz): Auch diese Grundregel gilt für jede einzelne zitierte Stelle: Die Vollständigkeit der Quellenangabe und damit die leichte Auffindbarkeit nicht nur der Quelle, sondern auch der etwaigen zitierten Passage in der Quelle für andere (für die Leser/innen) ist sicherzustellen. Das fordert auch das österreichische Urheberrechtsgesetz (UrhG): Die Quellenangabe muss so erfolgen, dass die entsprechende Stelle in einem Werk leicht auffindbar ist.[3] – Das heißt etwa konkret: Wird Inhalt nur von einer bestimmten Seite (oder Stelle) entnommen, so ist diese Seitenzahl (oder Stelle) auch in der Quellenangabe anzuführen.[4] Freilich können auch ganze Werke zitiert werden.
- Einheitlicher redaktioneller Umgang mit Quellen (und Zitaten): Ein gewählter Zitierstil muss beibehalten werden. Dies gilt sowohl für alle Formalvorgaben im Fließtext inkl. Fußnotenbereich als auch für alle Formalvorgaben für das Literaturverzeichnis (die references). Auch diese fünfte Grundregel gilt für alle Wissenschaftsdisziplinen: Wer sich etwa für die Autor-Jahr-Zitierweise entschieden hat, muss diese im Werk konsequent beibehalten. Das heißt: Weder dürfen die Zitierstile in einer Art „Hybrid-Zitierstil“ vermischt werden noch dürfen unterschiedliche Abschnitte ein und desselben Werks unterschiedliche Zitierstile aufweisen.
Dass Quellen angegeben werden müssen, ist eine Grundregel, die für alle Wissenschaftsdisziplinen verbindlich ist. Wie diese Quellen angegeben und deren Inhalte gekennzeichnet werden müssen, unterscheidet sich von Fach zu Fach.
So auch Jan Sramek:
„Während das DASS und das WAS zu zitieren ist unbestritten sind, gibt es beim WIE, den Zitierregeln, sowohl Unterschiede zwischen den verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen als auch innerhalb einer Fachrichtung traditionsbedingte nationale Besonderheiten.“[5]
Dieses Wiki erhebt nicht den Anspruch, die Zitierregeln etwa für die Disziplin der Kommunikationswissenschaft oder die Disziplin der Mathematik festzulegen. Formale Unterschiede von Institut zu Institut, ja von Betreuer/in zu Betreuer/in sind völlig unproblematisch und machen den Reichtum der Wissenschaft aus. Als Jungwissenschaftler/in lernen Sie bald, dass nahezu jedes Journal eigene Zitierregeln hat. Die Formalvorgaben zum Zitieren müssen daher von Text zu Text im Wesentlichen neu eingeübt werden. So auch Holzinger:
„A reference style is a set of rules for the handling of bibliographic items within a publication. There are hundreds of various styles in use, nearly every journal uses it’s own style […].”[6]
Zu Beginn dieses Einführungstexts in das Wiki wurden die fünf Grundregeln für das wissenschaftliche Zitieren in allen Wissenschaftsdisziplinen vorgestellt. Hier noch einmal auf einen Blick zusammengefasst:
Fünf Grundregeln für das wissenschaftliche Zitieren | … in Beantwortung der Grundfrage |
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1. Quellenkritischer Umgang | Ist die herangezogene Quelle überhaupt zitierfähig und vertrauenswürdig (verlässlich)? |
2. Richtigkeit der Quellenangabe(n) | Findet sich der Inhalt tatsächlich in der angegebenen Quelle? |
3. Korrektheit der inhaltlichen Wiedergabe(n) | Gebe ich das Zitierte wörtlich und inhaltlich korrekt wieder? |
4. Vollständigkeit der Quellenangabe(n) | Habe ich die Quelle oder eine Stelle aus ihr so angegeben, dass sie für die Leser/innen leicht auffindbar ist? |
5. Einheitlicher redaktioneller Umgang mit Quellen (und Zitaten) | Zitiere ich im Fließtext, in den Fußnoten und im Literaturverzeichnis einheitlich? |
- ↑ DEUTSCHE FORSCHUNGSGEMEINSCHAFT – DFG (1998): Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis. Safeguarding Good Scientific Practice. Weinheim: Wiley-VCH, S. 5.
- ↑ In der Regel wird dies sichergestellt, indem das Original aufgesucht wird. Allerdings verlassen wir hier bereits die Ebene der für alle Disziplinen gültigen Grundregeln.
- ↑ Wörtlich heißt es im österreichischen Urheberrechtsgesetz: „Werden Stellen oder Teile von Sprachwerken […] vervielfältigt, so sind sie in der Quellenangabe so genau zu bezeichnen, daß sie in dem benutzten Werke leicht aufgefunden werden können.“ (§ 57 Abs 2 UrhG)
- ↑ Eine mögliche Kollision dieser Grundregel mit der numerischen Zitierweise wird in diesem Wiki unter dem Eintrag „Zitierstile“ diskutiert.
- ↑ JAHNEL, Dietmar/SRAMEK, Jan (2017): NZR2. Neue Zitierregeln. Wien: Jan Sramek, S. 3.
- ↑ HOLZINGER, Andreas (20102): Process Guide for Students for Interdisciplinary Work in Computer Science/Informatics. TU Graz, S. 39.