Wissenschaftliches Fehlverhalten

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„Wissenschaftliches Fehlverhalten“ ist der logische Gegenbegriff zur „guten wissenschaftlichen Praxis“. Im angloamerikanischen Raum ist spätestens seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts von „research misconduct“, später auch von „scientific misconduct“ die Rede. Auch der Begriff „academic dishonesty“ ist verbreitet. Der Begriff „Fehlverhalten“ von Forschern taucht erstmals 1994 in der vom bundesdeutschen Strafrechtswissenschaftler Albin Eser betreuten Dissertation „Fehlverhalten von Forschern“ von Stefanie Stegemann-Boehl auf.[1]

1997 hat ein Ausschuss der Max-Planck-Gesellschaft unter der Leitung von Albin Eser erstmals „wissenschaftliches Fehlverhalten“ ausbuchstabiert und in eine mittlerweile weit verbreitete Taxonomie gebracht, bei der etwa das Plagiat als die „unbefugte Verwertung unter Anmaßung der Autorschaft“ definiert wird. Ebenfalls aus den USA kommend, wird mit „wissenschaftlichem Fehlverhalten“ heute meist das Tripel „FFP“ bezeichnet: also Fabrikation (Erfindung), Falsifikation (Fälschung) und Plagiat. Eine diesbezügliche, weit verbreitete Definition findet sich auf der Website des ORI – Office of Research Integrity der USA. Weitere Formen wissenschaftlichen Fehlverhaltens sind etwa die unethische Autorschaft oder die Sabotage.

Der Begriff „wissenschaftliches Fehlverhalten“ war in den ersten Richtlinien der Max-Planck-Gesellschaft und der DFG (Deutschen Forschungsgemeinschaft) noch ausschließlich auf Wissenschaftler/innen bezogen und nicht auf Studierende. In den vergangenen Jahren ist der Trend zu beobachten, dass die Begriffe „gute wissenschaftliche Praxis“ und „wissenschaftliches Fehlverhalten“ zunehmend auch auf schriftliche Arbeiten und eventuell auch auf Prüfungsleistungen Studierender angewandt werden, dies vor allem in GWP-Richtlinien (siehe etwa hier), Satzungen und Prüfungsordnungen (siehe etwa hier).

Es gibt aber auch Versuche einer Unterscheidung. So empfiehlt etwa die Universität Mainz auf einer Website zu akademischer Integrität: „Wird bei professionell tätigen Forscherinnen und Forscher hier von wissenschaftlichem Fehlverhalten gesprochen, fallen Verstöße im Rahmen des Studiums unter den prüfungsrechtlichen Begriff ‚Täuschung‘.“ Im österreichischen Universitätsgesetz wird gegenwärtig von „Vortäuschen“ gesprochen, der Begriff „wissenschaftliches Fehlverhalten“ kommt nicht vor.

Albin Eser führte in seiner Auflistung der Formen wissenschaftlichen Fehlverhaltens aus dem Jahr 1997 noch mehr Formen der „Verletzung geistigen Eigentums“ als das Plagiat an:

„(2) Verletzung geistigen Eigentums in bezug auf ein von einem anderen geschaffenes urheberrechtlich geschützes [sic] Werk oder von anderen stammende wesentliche wissenschaftliche Erkenntnisse, Hypothesen, Lehren oder Forschungsansätze durch
a) unbefugte Verwertung unter Anmaßung der Autorschaft (Plagiat),
b) Ausbeutung von Forschungsansätzen und Ideen, insbesondere als Gutachtende (Ideendiebstahl),
c) Anmaßung oder unbegründete Annahme wissenschaftlicher Autor- oder Mitautorschaft,
d) Verfälschung des Inhalts,
e) unbefugte Veröffentlichung oder unbefugtes Zugänglichmachen gegenüber Dritten, solange das Werk, die Erkenntnis, die Hypothese, der Lehrinhalt oder der Forschungsansatz noch nicht veröffentlicht ist,
f) Inanspruchnahme der (Mit)Autorschaft einer anderen Person ohne deren Einverständnis […]“[2]

Das Autoplagiat (auch Eigen- oder Selbstplagiat) ist hier nicht als Form des wissenschaftlichen Fehlverhaltens angeführt. Es kann aber indirekt eine Form des Fehlverhaltens werden, wenn etwa in eine Habilitationsschrift wesentliche Teile der eigenen Dissertation Eingang finden, ohne dass dies durch einen Hinweis mitgeteilt wird. Es handelt sich dann nämlich möglicherweise um einen Verstoß gegen die Habilitationsordnung oder die abgegebene Eigenständigkeitserklärung.

Weite Verbreitung fand auch die grundlegende Definition Albin Esers von „wissenschaftlichem Fehlverhalten“. Er schrieb:

„Wissenschaftliches Fehlverhalten liegt vor, wenn in einem wissenschaftserheblichen Zusammenhang bewußt oder grob fahrlässig Falschangaben gemacht werden, geistiges Eigentum anderer verletzt oder sonstwie deren Forschungstätigkeit beeinträchtigt wird. Entscheidend sind jeweils die Umstände des Einzelfalles.“[3]

Wissenschaftliches Fehlverhalten muss also nicht immer bewusst (absichtlich, vorsätzlich) geschehen, auch grobe Fahrlässigkeit (das heißt die grobe Verletzung der Sorgfaltspflicht) kann wissenschaftliches Fehlverhalten darstellen. Nicht jedes Plagiat, das als wissenschaftliches Fehlverhalten klassifiziert werden muss, ist deshalb gleich studienrechtlich relevant (Nichtigerklärung; Widerruf des Grades). Damit ein schwerwiegendes Plagiat zu einer studienrechtlichen Konsequenz führt, muss das Moment der Täuschung (der Erschleichung) festgestellt worden sein. Die Grenzziehung zwischen grober Fahrlässigkeit und Täuschung ist im Einzelfall schwierig zu ziehen.

Plagiat als wissenschaftliches Fehlverhalten und Plagiat mit studienrechtlicher Konsequenz[4]

Fußnoten

  1. STEGEMANN-BOEHL, Stefanie (1994): Fehlverhalten von Forschern. Eine Untersuchung am Beispiel der biomedizinischen Forschung im Rechtsvergleich USA-Deutschland. Stuttgart: Ferdinand Enke (zgl. Dissertation, Universität Freiburg).
  2. ESER, Albin (1999): Die Sicherung von „Good Scientific Practice“ und die Sanktionierung von Fehlverhalten. Mit Erläuterungen zur Freiburger „Selbstkontrolle in der Wissenschaft“. In: Lippert, Hans-Dieter/Eisenmenger, Wolfgang (Hg.): Forschung am Menschen. Der Schutz des Menschen – Die Freiheit des Forschers. Berlin/Heidelberg: Springer, S. 148 f.
  3. ESER, Albin (1999): Die Sicherung von „Good Scientific Practice“ und die Sanktionierung von Fehlverhalten. Mit Erläuterungen zur Freiburger „Selbstkontrolle in der Wissenschaft“. In: Lippert, Hans-Dieter/Eisenmenger, Wolfgang (Hg.): Forschung am Menschen. Der Schutz des Menschen – Die Freiheit des Forschers. Berlin/Heidelberg: Springer, S. 148.
  4. https://plagiatsgutachten.com/was-ist-ein-plagiat