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== Begriffsgeschichte ==
 
== Begriffsgeschichte ==
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Das Wort ‚Plagiat‘ hat sich in der deutschen Sprache erst im 18. Jahrhundert verbreitet, vom französischen ‚plagiat‘ kommend.<ref>Siehe Duden, Band 7, Herkunftswörterbuch in der Fassung von 19892, Eintrag ‚Plagiat‘.</ref> Der Begriff geht zurück auf lat. ‚''plaga, -ae'' (f.)‘, das mehrere Grundbedeutungen hat. Eine davon ist das (Jagd-)Netz, mit dem man etwas einfängt, auch der Fallstrick oder die Schlinge.<ref>https://de.pons.com/%C3%BCbersetzung/latein-deutsch/plaga</ref> Das lateinische Wort ‚''plagiarius''‘ tritt in der Bedeutung ‚Menschenräuber‘ und ‚Sklavenhändler‘<ref>https://de.pons.com/%C3%BCbersetzung/latein-deutsch/plagiarius</ref> auf – übertragen und bildlich im Sinne einer Person, die Menschen (mit einem Netz) einfängt und dann zu Sklaven macht.  
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Das Wort ‚Plagiat‘ hat sich in der deutschen Sprache erst im 18. Jahrhundert verbreitet, vom französischen ‚plagiat‘ kommend.<ref>Siehe Duden, Band 7, Herkunftswörterbuch in der Fassung von 1989<sup>2</sup>, Eintrag ‚Plagiat‘.</ref> Der Begriff geht zurück auf lat. ‚''plaga, -ae'' (f.)‘, das mehrere Grundbedeutungen hat. Eine davon ist das (Jagd-)Netz, mit dem man etwas einfängt, auch der Fallstrick oder die Schlinge.<ref>https://de.pons.com/%C3%BCbersetzung/latein-deutsch/plaga</ref> Das lateinische Wort ‚''plagiarius''‘ tritt in der Bedeutung ‚Menschenräuber‘ und ‚Sklavenhändler‘<ref>https://de.pons.com/%C3%BCbersetzung/latein-deutsch/plagiarius</ref> auf – übertragen und bildlich im Sinne einer Person, die Menschen (mit einem Netz) einfängt und dann zu Sklaven macht.  
    
Beim römischen Dichter Martial ist im 1. Jahrhundert unserer Zeitrechnung in den Epigrammen (1,52) nachzulesen: ''„hoc si terque quaterque clamitaris, impones plagiario pudorem“''. Dies kann übersetzt werden mit: ''„Wenn Du das drei oder vier Mal deutlich sagst, wirst du den Plagiator beschämen.“''<ref>Dank für Mitarbeit an Herbert Toscany.</ref> Bei Martial kommt es somit zu einer Bedeutungsverschiebung: Der ‚plagiarius‘ nicht mehr als der ''Menschen''dieb, sondern als der ''Text''dieb, als Räuber von Versen: als einer, der fremde Verse – nämlich die des Martial – als eigene vorträgt.
 
Beim römischen Dichter Martial ist im 1. Jahrhundert unserer Zeitrechnung in den Epigrammen (1,52) nachzulesen: ''„hoc si terque quaterque clamitaris, impones plagiario pudorem“''. Dies kann übersetzt werden mit: ''„Wenn Du das drei oder vier Mal deutlich sagst, wirst du den Plagiator beschämen.“''<ref>Dank für Mitarbeit an Herbert Toscany.</ref> Bei Martial kommt es somit zu einer Bedeutungsverschiebung: Der ‚plagiarius‘ nicht mehr als der ''Menschen''dieb, sondern als der ''Text''dieb, als Räuber von Versen: als einer, der fremde Verse – nämlich die des Martial – als eigene vorträgt.
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Die klassische Bedeutung von Plagiat ist demnach der „''Diebstahl [[Geistiges Eigentum|geistigen Eigentums]]''“<ref>Siehe Duden, Band 7, Herkunftswörterbuch in der Fassung von 19892, Eintrag ‚Plagiat‘.</ref>, wobei darauf hinzuweisen ist, dass sich der Begriff des ‚geistigen Eigentums‘ erst in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts verbreitet hat (obwohl Plagiatsstreitigkeiten, siehe Martial, viel älter sind und schon für die griechische Antike nachgewiesen wurden).
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Die klassische Bedeutung von Plagiat ist demnach der „''Diebstahl [[Geistiges Eigentum|geistigen Eigentums]]''“<ref>Siehe Duden, Band 7, Herkunftswörterbuch in der Fassung von 1989<sup>2</sup>, Eintrag ‚Plagiat‘.</ref>, wobei darauf hinzuweisen ist, dass sich der Begriff des ‚geistigen Eigentums‘ erst in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts verbreitet hat (obwohl Plagiatsstreitigkeiten, siehe Martial, viel älter sind und schon für die griechische Antike nachgewiesen wurden).
    
== Plagiatsdefinition in der Wissenschaft ==
 
== Plagiatsdefinition in der Wissenschaft ==
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Im Folgenden wird vorgeschlagen, nach der ''Modalität'' eines Plagiats, seiner (Content-)''Quelle'' und seiner ''Intensität'' zu unterscheiden.
 
Im Folgenden wird vorgeschlagen, nach der ''Modalität'' eines Plagiats, seiner (Content-)''Quelle'' und seiner ''Intensität'' zu unterscheiden.
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[[Datei:Erscheinungsformen-Plagiat-05-oT.png|none|thumb|800px|'''Erscheinungsformen des akademischen Plagiats''']]
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Bei der ''Modalität'' kommt wohl die Spielart ‚Plagiat eines fremden Contents’ am häufigsten vor. Studentische Selbstplagiate (die Rede ist auch von ‚Eigenplagiaten’ oder ‚Autoplagiaten’) kommen vor, wenn schriftliche Arbeiten oder Teile daraus für mehrere Prüfungszwecke eingereicht werden oder wenn etwa Bachelorarbeiten zu Teilen oder gänzlich ohne entsprechende Angaben in Masterarbeiten aufgenommen werden.<ref>Die studienrechtliche Bewertung von Selbstplagiaten ist nicht eindeutig, vgl. dazu auch GAMPER 2009 anlässlich des Falls eines Selbstplagiats aus einer Dissertation in einer Habilitationsschrift. In Österreich ist das „Selbstplagiat“ hochschulrechtlich nicht erfasst, allerdings wird es etwa in einer aktuellen europaweiten Aufstellung von Formen wissenschaftlichen Fehlverhaltens zumindest unter „other unacceptable practices“ gereiht, siehe https://ec.europa.eu/info/funding-tenders/opportunities/docs/2021-2027/horizon/guidance/european-code-of-conduct-for-research-integrity_horizon_en.pdf: 8 f. Die Definition lautet hier: „Re-publishing substantive parts of one’s own earlier publications, including translations, without duly acknowledging or citing the original (‘self-plagiarism’)“. Entscheidend ist also nicht die Mehrfachverwertung ‚als solche‘, sondern das Unterlassen des Hinweises auf diese und auf den genauen Umfang.</ref>
 
Bei der ''Modalität'' kommt wohl die Spielart ‚Plagiat eines fremden Contents’ am häufigsten vor. Studentische Selbstplagiate (die Rede ist auch von ‚Eigenplagiaten’ oder ‚Autoplagiaten’) kommen vor, wenn schriftliche Arbeiten oder Teile daraus für mehrere Prüfungszwecke eingereicht werden oder wenn etwa Bachelorarbeiten zu Teilen oder gänzlich ohne entsprechende Angaben in Masterarbeiten aufgenommen werden.<ref>Die studienrechtliche Bewertung von Selbstplagiaten ist nicht eindeutig, vgl. dazu auch GAMPER 2009 anlässlich des Falls eines Selbstplagiats aus einer Dissertation in einer Habilitationsschrift. In Österreich ist das „Selbstplagiat“ hochschulrechtlich nicht erfasst, allerdings wird es etwa in einer aktuellen europaweiten Aufstellung von Formen wissenschaftlichen Fehlverhaltens zumindest unter „other unacceptable practices“ gereiht, siehe https://ec.europa.eu/info/funding-tenders/opportunities/docs/2021-2027/horizon/guidance/european-code-of-conduct-for-research-integrity_horizon_en.pdf: 8 f. Die Definition lautet hier: „Re-publishing substantive parts of one’s own earlier publications, including translations, without duly acknowledging or citing the original (‘self-plagiarism’)“. Entscheidend ist also nicht die Mehrfachverwertung ‚als solche‘, sondern das Unterlassen des Hinweises auf diese und auf den genauen Umfang.</ref>
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Der Plagiatsbegriff kann nicht nur analytisch in Bezug auf ''Modalität'', ''Quelle''/Content und ''Intensität'' differenziert werden. Er muss auch ‚prozesslogisch‘ betrachtet werden:
 
Der Plagiatsbegriff kann nicht nur analytisch in Bezug auf ''Modalität'', ''Quelle''/Content und ''Intensität'' differenziert werden. Er muss auch ‚prozesslogisch‘ betrachtet werden:
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[[Datei:Dimensionen-FFP-14-oT.png|none|thumb|800px|'''Dimensionen der Plagiatsprävalenz''']]
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Wenn wir von einem ‚Plagiat’ sprechen, so können wir folgendes meinen:
 
Wenn wir von einem ‚Plagiat’ sprechen, so können wir folgendes meinen:
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Bei Punkt 3 (und damit auch in Auswirkung auf die folgenden Punkte) ist schließlich der Zeitpunkt der Plagiatsentdeckung (-detektion) zu beachten. Dieser kann sein:
 
Bei Punkt 3 (und damit auch in Auswirkung auf die folgenden Punkte) ist schließlich der Zeitpunkt der Plagiatsentdeckung (-detektion) zu beachten. Dieser kann sein:
1. Während der Prüfung; bei prüfungsimmanenten Lehrveranstaltungen vor Abgabe der Endarbeit
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2. Nach der Prüfung, aber vor der Beurteilung (beziehungsweise im Zuge dieser); bei prüfungsimmanenten Lehrveranstaltungen nach Abgabe der Endarbeit, aber vor der Beurteilung der LV (beziehungsweise im Zuge dieser)
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* Während der Prüfung; bei prüfungsimmanenten Lehrveranstaltungen vor Abgabe der Endarbeit
3.1 Nach der Beurteilung, aber vor Verleihung des akademischen Grades
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* Nach der Prüfung, aber vor der Beurteilung (beziehungsweise im Zuge dieser); bei prüfungsimmanenten Lehrveranstaltungen nach Abgabe der Endarbeit, aber vor der Beurteilung der LV (beziehungsweise im Zuge dieser)
3.2 Nach der Beurteilung und nach Verleihung des akademischen Grades
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* Nach der Beurteilung, aber vor Verleihung des akademischen Grades
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* Nach der Beurteilung und nach Verleihung des akademischen Grades
    
Diese Phasen korrespondieren mit gesetzlichen Sanktionsmöglichkeiten.
 
Diese Phasen korrespondieren mit gesetzlichen Sanktionsmöglichkeiten.
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Diese Dimensionen der Plagiatsprävalenz machen es so schwer, den Begriff ‚Plagiat’ empirisch zu operationalisieren. Mit simplen Fragen wie ''‚Wie viele Plagiatsfälle gab es…?’'' kommt man so gesehen nicht weit. Zudem gibt es fast immer eine begriffliche Unschärfe in Bezug auf ''die Referenz des Plagiatsbegriffs'': Meint ‚Plagiat’ das jeweils einzelne, abgegrenzte ''Plagiatsfragment'' (also eine parzellierte plagiierte Sinneinheit in einem Werk) und/oder wird der Begriff auf das gesamte Werk angewandt, wenn ein erheblicher oder werkprägender Teil aus Plagiatsfragmenten besteht? Wenn wir etwa nach akademischen Plagiatsstatistiken fragen, meinen wir immer Werke, nicht einzelne Plagiatsfragmente und auch nicht Verfasser/innen, die ja auch mehrfach Plagiate einreichen könnten. Dennoch hat sich im Sprachgebrauch beides etabliert: Man kann sagen, dass die Dissertation von Herrn Guttenberg ein Plagiat ist. Man kann aber auch sagen, dass die Dissertation von Herrn Guttenberg so und so viele Plagiate ''enthält''.
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Zwei definitorische Abgrenzungen sollen noch vorgenommen werden: Das hier im Fokus stehende akademische Plagiat (als Verstoß gegen die Richtlinien guter wissenschaftlicher Praxis und – in seiner schwerwiegenden Form – mit möglichen studienrechtlichen Konsequenzen) muss vom Plagiat im Sinne einer Urheberrechtsverletzung immer unterschieden werden (andere Rechtsmaterie: einmal Universitätsgesetz, einmal Urheberrechtsgesetz). Auch wird empfohlen, Arbeiten von Ghostwritern nicht als eine Unterform des Plagiats aufzufassen.
    
== Fußnoten ==
 
== Fußnoten ==
    
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