Anführungszeichen

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In der Wissenschaft (wie im Journalismus) werden wörtlich übernommene Textpassagen fremder Autor/inn/en (seltener auch wörtlich aus eigenen älteren Arbeiten übernommene Textpassagen) in der Regel mit doppelten Anführungszeichen gekennzeichnet. Diese Regel gilt für den Autor-Jahr- und den Fußnoten-Zitierstil. Sie ergibt aber dann keinen Sinn, wenn wörtlich übernommene Textpassagen gar nicht gebräuchlich sind, weil die Unterscheidung zwischen wörtlichem und sinngemäßem Zitat ungebräuchlich ist (etwa in der Mathematik, teilweise auch in den Ingenieurwissenschaften, teilweise auch in der Informatik). In der numerischen Zitierweise findet man nur selten Anführungszeichen.

Alternativ oder ergänzend zu Anführungszeichen können zur Kennzeichnung (man spricht auch von Kenntlichmachung) wörtlicher übernommener Textpassagen fremder Autor/inne/en auch typographische und gestalterische Stilmittel verwendet werden, wie etwa Wechsel des Schrifttyps, Wechsel der Schriftgröße, Wechsel des Zeilenabstands oder Einrückung. Längere wörtliche Zitate, die vom Fließtext abgehoben werden, werden auch „Petitzitate“ genannt. Es gibt unterschiedliche Regeln, ab welcher Zeilenanzahl wörtliche Zitate jedenfalls abgehoben werden sollen. Meist handelt es sich um mehr als drei Zeilen.

Das doppelte Anführungszeichen spielt insbesondere in den Sozial- und Geisteswissenschaften eine entscheidende Rolle zur Unterscheidung von fremdem und eigenem geistigen Eigentum: Fremdes geistiges Eigentum muss klar gekennzeichnet werden. Wird auf die Setzung von Anführungszeichen (die Kennzeichnung oder Kenntlichmachung) und auf die Quellenangabe verzichtet, liegt in der Regel ein Plagiat vor. Der Begriff „Anführungszeichen“ wurde im Deutschen erst im 18. Jahrhundert gebräuchlich, wie auch der Begriff „Gänsefüßchen“ (ebenfalls 18. Jahrhundert). Der Begriff „Anführungszeichen“ meint, dass eine Stelle angeführt wird. Vorher war der lateinische Begriff „signum citationis“ gebräuchlich:

Hieronymus Freyer (1722): Anweisung zur teutschen Orthographie
Hieronymus Freyer (1722): Anweisung zur teutschen Orthographie, Halle, S. 25, Kapitel „Von den Unterscheidungszeichen“

Wiedergabe: „Das signum citationis wird gebrauchet, wenn eines andern auctoris Worte anzuführen und von der übrigen Rede zu unterscheiden sind.“ (auctoris: lat. für Autor, Schöpfer, Urheber)

Zu Beginn des 18. Jahrhundert handelte es sich wohlgemerkt um eine Interpunktionsregel der übergeordneten Deutschregeln. Die Regel der Setzung von Anführungszeichen entwickelte sich also über eine Deutschregel zur wissenschaftlichen Norm – im Kontext mit dem Aufkommen des Konzepts geistiges Eigentum (ab 1726) und des modernen Urheberrechts (ebenfalls 18. Jahrhundert). In den Lehrbüchern der Hodegetik, einer Vorläufer-Disziplin von dem, was sich heute gute wissenschaftliche Praxis nennt, finden sich noch keine Zitierrichtlinien. Es wird aber bereits mit Anführungszeichen aus älterer Literatur zitiert.

Forschungen haben ergeben, dass die ersten Anführungszeichen in gedruckten Büchern nur wenige Jahrzehnte nach Erfindung des Buchdrucks auftreten.[1] Bereits handgeschriebene mittelalterliche Texte weisen zu Beginn jeder Zeile (!) häufig Doppelhaken auf, die sogenannte Diple. Diese lässt sich bis zu Handschriften aus dem 3. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung zurückverfolgen. Man kann also sagen, es wurde nahezu „schon immer“ Zitiertes gekennzeichnet, auch wenn das „geistige Eigentum“ und das moderne Urheberrecht Errungenschaften des 18. Jahrhunderts sind.

Im „Style Sheet“ der „Modern Language Association“ aus dem Jahr 1951 ist die Verwendung von Anführungszeichen (double quotation marks) bei Zitaten (quotations) etwas umständlich erklärt:[2]

Modern-language-association-1.png
Modern-language-association-2.png

Die Regel zur Setzung von Anführungszeichen bei wörtlich übernommenen Textpassagen fremder Autor/inn/en findet sich in den 1960er und 1970er Jahren bereits in zahlreichen Einführungsbüchern ins wissenschaftliche Arbeiten.

Regeln zu wörtlichen Zitaten mit Anführungszeichen und sinngemäßen Zitaten in unterschiedlichen Disziplinen

Lehrbuch: Wörtlich übernommene Texte … Inhalt und/oder Zweck Sinngemäß Übernommenes: Inhalt und/oder Zweck
Helmut Seiffert, Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten, 1972
FACH: Philosophie, DE
„werden in der Regel in doppelte Anführungszeichen gestellt“ (S. 130) Keine Angabe Keine Angabe Keine Angabe
Albert Scheibler, Technik und Methodik des wirtschaftswissenschaftlichen Arbeitens, 1976
FACH: Volkswirtschaftslehre, DE
„übernimmt man mit Anführungszeichen“ (S. 162) „gilt für ganze Sätze ebenso wie für Satzteile (Passagen) oder einzelne individuelle Begriffsworte“ (S. 162) „Der reproduzierende Intensitätsgrad ist nicht so stark wie beim wörtlichen Zitat.“ Aber auch (im Widerspruch dazu): „Der Zitierende erklärt den Zitatinhalt jedoch mit eigenen Worten.“ (S. 162) „[…] auch dann richtig, wenn der Zitatinhalt den eigenen Ausführungen des Weitergebenden gedanklich und/oder grammatisch angepaßt werden soll. Auch Interpretationen fußen oft auf sinngemäßen Zitaten.“ (S. 162)
Karl Oftinger et al., Vom Handwerkszeug des Juristen und von seiner Schriftstellerei, 6. Aufl., 1981
FACH: Rechtswissenschaften, CH
„Der übernommene Passus ist in Anführungszeichen zu setzen […]“ Oder „Wiedergabe in indirekter Rede“ (S. 178 f.) wörtliche Übernahme einer Aussage, auch einer Definition oder Formel […]“ (S. 178). „Auch die wörtliche Wiedergabe von Gesetzesstellen ist in Anführungszeichen zu setzen.“ (S. 183) „Die Umstellung eines Satzes oder einer Satzfolge, die Übersetzung eines Stückes oder die Verwendung von Synonyma entbindet nicht von dem unter Ziff. 1 genannten Grundsatz.“ (S. 179; der Verweis auf Ziff. 1 meint die Erfordernis des Zitats der Quelle!) Keine Angabe
Manuel R. Theisen, Wissenschaftliches Arbeiten. Technik – Methodik – Form, 7. Aufl., 1993
FACH: Betriebswirtschaftslehre, DE
„Ein direktes Zitat muß im Text in Anführungszeichen gesetzt werden […]“. (S. 140) Keine Angabe „Jede Form einer textlichen Anlehnung, sinngemäßen Wiedergabe oder auch nur stützenden Argumentationshilfe unter Verwendung fremder Gedanken und Ausführungen erfüllt (in unterschiedlichem Maße) den Tatbestand eines indirekten Zitates.“ (S. 143) Keine Angabe
Ferdinand Kerschner, Wissenschaftliche Arbeitstechnik und -methodik für Juristen, 3. Aufl., 1993
FACH: Rechtswissenschaften, AT
„[…] ist das wörtliche Zitat unter Anführungszeichen zu setzen.“ (S. 140) „Nur wenn es ausnahmsweise auf die genaue Formulierung einer fremden Meinung ankommt, ist wörtlich zu zitieren.“ (S. 140)

„Die Gesetzstelle ist immer unter Anführungszeichen zu setzen.“ (S. 143)

„Im allgemeinen sind fremde Meinungen nur s i n n g e m ä ß mit eigenen Worten wiederzugeben.“ (S. 139) „[…] immer im Konjunktiv zu formulieren, selbst wenn man sich dieser Meinung anschließt.“ (S. 139)
Peter Forstmoser/Regina Ogorek, Juristisches Arbeiten, 1994
Fach: Rechtswissenschaften, AT
„[…] müssen in Anführungs- und Schlusszeichen gesetzt werden.“ (S. 40) Keine Angabe Keine Angabe Keine Angabe
Axel Bänsch, Wissenschaftliches Arbeiten. Seminar- und Diplomarbeiten, 4. Aufl., 1995
Fach: Wirtschaftswissenschaften, DE
„[…] sind im Text in An-/Ausführungszeichen zu setzen.“ (S. 43 f.) „[…] erscheinen grundsätzlich nur dann gerechtfertigt, ‚wenn es nicht anders geht‘.“ (S. 8) Keine Angabe Keine Angabe

Kommen innerhalb eines mit doppelten Anführungszeichen gekennzeichneten Zitatinhalts doppelte Anführungszeichen vor, so sind diese durch einfache Anführungszeichen zu ersetzen, also „…. ‚….‘ ….“. Es gibt auch die Terminologie „An- und Abführungszeichen“ oder öffnendes und schließendes Anführungszeichen für „ und “.

Nicht alle Wissenschaftsdisziplinen kennzeichnen direkte Rede oder Erwähnungen von Begriffen und Textteilen (mention vs. use) mit doppelten Anführungszeichen. So ist etwa in den Sprachwissenschaften (der Linguistik) auch die Kursivierung von Rede gebräuchlich:[3]

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Ein kurzer Ausflug in die Literatur: James Joyce verzichtet in seinem Monumentalwerk „Ulysses“ 1922 auf Anführungszeichen. Er beginnt für direkte Rede eine neue Zeile und leitet diese mit einem Gedankenstrich (–) ein. Innerhalb dieser so „zitierten“ Passagen finden sich auch Angaben zur Rede.

Zitierweise mit „—“ im „Ulysses“ von James Joyce, 1922[4]

Der österreichische Philosoph Josef Mitterer hat im Rahmen seiner nicht-dualisierenden Sprachphilosophie vorgeschlagen, Objekte als bereits erfolgte Beschreibungen zu bezeichnen und diese erfolgten Beschreibungen mit /…/ zu kennzeichnen, also unter zwei Schrägstriche und nicht unter zwei doppelte Anführungszeichen zu setzen.[5]

Fußnoten

  1. CASTELLANI, Giordano (2008): Francesco Filelfo's Orationes et Opuscula (1483/1484). The first example of quotation marks in print? In: Gutenberg-Jahrbuch, 83, S. 52-80.
  2. MODERN LANGUAGE ASSOCIATION (MLA) (1951): The MLA Style Sheet. In: PMLA (= Publications of the Modern Language Association of America), April 1951, Jahrgang 66, Heft 3, S. 3-31.
  3. https://www.christianlehmann.eu/ling/epistemology/techniques/redaction/index.html?https://www.christianlehmann.eu/ling/epistemology/techniques/redaction/Objekt&Metasprache_Typographie.html
  4. https://en.wikisource.org/wiki/Page:Ulysses,_1922.djvu/123
  5. MITTERER, Josef (2011): Das Jenseits der Philosophie. Wider das dualistische Erkenntnisprinzip. Weilerswist: Velbrück Wissenschaft, These 14 ff., S. 43 ff.