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| Die klassische Bedeutung von Plagiat ist demnach der „''Diebstahl [[Geistiges Eigentum|geistigen Eigentums]]''“<ref>Siehe Duden, Band 7, Herkunftswörterbuch in der Fassung von 19892, Eintrag ‚Plagiat‘.</ref>, wobei darauf hinzuweisen ist, dass sich der Begriff des ‚geistigen Eigentums‘ erst in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts verbreitet hat (obwohl Plagiatsstreitigkeiten, siehe Martial, viel älter sind und schon für die griechische Antike nachgewiesen wurden). | | Die klassische Bedeutung von Plagiat ist demnach der „''Diebstahl [[Geistiges Eigentum|geistigen Eigentums]]''“<ref>Siehe Duden, Band 7, Herkunftswörterbuch in der Fassung von 19892, Eintrag ‚Plagiat‘.</ref>, wobei darauf hinzuweisen ist, dass sich der Begriff des ‚geistigen Eigentums‘ erst in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts verbreitet hat (obwohl Plagiatsstreitigkeiten, siehe Martial, viel älter sind und schon für die griechische Antike nachgewiesen wurden). |
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| + | == Plagiatsdefinition in der Wissenschaft == |
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| + | Vom deutschen Strafrechtswissenschaftler Albin Eser stammt die heute in der Wissenschaft weit verbreitete Definition von Plagiat als die „unbefugte Verwertung unter Anmaßung der Autorschaft“. Eine längere Definition, erarbeitet vom ‚Kompetenzzentrum für Akademische Integrität‘ der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, ist seit 2015 in den studienrechtlichen Begriffsbestimmungen des österreichischen Universitätsgesetzes nachzulesen: |
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| + | „Ein Plagiat liegt eindeutig vor, wenn Texte, Inhalte oder Ideen übernommen und als eigene ausgegeben werden. Dies umfasst insbesondere die Aneignung und Verwendung von Textpassagen, Theorien, Hypothesen, Erkenntnissen oder Daten durch direkte, paraphrasierte oder übersetzte Übernahme ohne entsprechende Kenntlichmachung und Zitierung der Quelle und der Urheberin oder des Urhebers.“ |
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| + | Diese Definition zeigt bereits die verschiedenen möglichen Spielarten des Plagiats auf, ist aber taxonomisch nicht korrekt. So sind etwa „Inhalte“ sowohl „Texte“ (konkrete sprachliche Realisierungen eines Inhalts) als auch „Ideen“. Auch der Begriff der „Erkenntnis“ als Allgemeinbegriff für das Ziel der Wissenschaft ist hier wohl wenig sinnvoll. Weiter gibt es kaum einen Zweifel daran, dass sich Theorien und Hypothesen (fast) nur in „Textpassagen“ manifestieren können (mit Ausnahme von Schaubildern). Auch das „oder“ bei der „Übernahme“ ist inkonsistent, denn man kann ja etwa auch übersetzen und dann paraphrasieren (oder umgekehrt). Schließlich stellt sich die Frage, ob der Satzteil „der Urheberin oder des Urhebers“ Bestandteil der Definition sein muss. Es ist nämlich auch an Plagiate von Texten zu denken, von denen kein Urheber bekannt ist, etwa von namentlich nicht gekennzeichneten Texten aus dem Internet. |
| + | Die Definition ist somit alleine schon, was die Taxonomien anbelangt, stark überarbeitungsbedürftig. Zudem fehlt die studienrechtlich entscheidende Frage, ob zum Plagiat im studienrechtlichen Sinne das Moment der Täuschung, des Vorsatzes gehört. Andernfalls wäre die Begriffsbestimmung im studienrechtlichen Teil des UG falsch platziert. |
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| + | Im Folgenden (siehe Grafik 1) wird vorgeschlagen, nach der Modalität eines Plagiats, seiner (Content-)Quelle und seiner Intensität zu unterscheiden. |
| + | Bei der Modalität kommt wohl die Spielart ‚Plagiat eines fremden Contents’ am häufigsten vor. Studentische Selbstplagiate (die Rede ist auch von ‚Eigenplagiaten’ oder ‚Autoplagiaten’) kommen vor, wenn schriftliche Arbeiten oder Teile daraus für mehrere Prüfungszwecke eingereicht werden oder wenn etwa Bachelorarbeiten zu Teilen oder gänzlich ohne entsprechende Angaben in Masterarbeiten aufgenommen werden. |
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| + | In Bezug auf die (Content-)Quelle sind ohne Zweifel Textplagiate die häufigste Variante. Der Bogen spannt sich hier von Plagiatsfragmenten in Bewerbungsschreiben über die ‚klassischen’ Formen des Textplagiats etwa in Theorieteilen von Abschlussarbeiten bis zu plagiierten Wiedergaben qualitativer Interviews (Versuchspersonen werden Zitate ‚in den Mund gelegt‘, die schon andere Personen zuvor in anderen Forschungssettings gesagt haben). Strukturplagiate (von Inhaltsverzeichnissen) sind ebenso ein Thema wie Ideenplagiate (etwa Fragen der Art: Wer hat als Erster die Evolutionäre Erkenntnistheorie mit dem Radikalen Konstruktivismus verbunden, und ist es ein Ideenplagiat, wenn diese Erstquelle nicht zitiert wird?). |
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| + | Die Intensität eines Plagiats lehnt sich an Kategorisierungen der Plagiatsdokumentier-Plattformen GuttenPlag Wiki und VroniPlag Wiki an, wobei im vorliegenden Kapitel – wie in den erwähnten Wikis –der Begriff des ‚Bauernopfers’ von Benjamin Lahusen (2006) übernommen wird. Lahusen bemerkt zu der von ihm so bezeichneten ‚Bauernopfer-Referenz’ (der Begriff ist in diesem Kontext in der Tat Lahusens Erfindung): „Ein kleiner Teil [des insgesamt übernommenen Texts] wird als Ergebnis fremder Geistestätigkeit gekennzeichnet, damit die Eigenautorschaft […] hinsichtlich des übrigen Textes umso plausibler wird.“ Auf gut Deutsch: Bauernopfer-Referenz meint, dass mehr Text wörtlich übernommen wurde, als mit Anführungszeichen versehen wurde. Diese Spielart des Plagiats konnte auch in zahlreichen Qualifikationsschriften aus der Zeit vor der Digitalisierung identifiziert werden. Die ‚Bauernopfer-Referenz’ (oder kurz das Bauernopfer) kann auch als Alibi-Fußnote bezeichnet werden, die den Leser über den wahren Umfang des übernommenen Fremdtexts im Unklaren lässt. Dabei bedeutet ‚einfaches Bauernopfer’, dass das Fußnotenzeichen meist im Fließtext so platziert wird, dass nicht erahnt werden kann, dass noch mehr Text oberhalb oder unterhalb des Fußnotenzeichens übernommen wurde. Ein ‚verschärftes Bauernopfer’ liegt dann vor, wenn der Quellenverweis meist im Fußnotentext etwa auf bloß weiterführende Literatur zum Thema verweist, während in Wahrheit Text wörtlich oder umformuliert aus ebendieser sogenannten ‚weiterführenden’ Literatur übernommen wurde. Mit Blindzitat ist schließlich gemeint, dass ein in Sekundärliteratur wörtlich oder sinngemäß zitierter Text aus der Primärliteratur im eigenen Werk wie Primärliteratur zitiert wird, es wird also das Zitat aus der Sekundärliteratur abgeschrieben. – Weitere Spielarten und Unter-Erscheinungsformen sind denkbar. |
| + | Mithin wäre folgende operationalisierbare Definition eines akademischen Textplagiats denkbar: Ein akademisches Textplagiat liegt immer dann vor, wenn nach herrschenden Zitierrichtlinien Anführungszeichen gesetzt und/oder Quellenangaben (dies inkludiert: am richtigen Ort) hätten platziert werden müssen oder (in der numerischen Zitierweise) die wörtliche Übernahme unerlaubt war. |
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| + | Ein zweiter operationalisierbarer Definitionsvorschlag lautet: Ein akademisches Textplagiat liegt immer dann vor, wenn die Zuhilfenahme aller aktuell verfügbarer Methoden (Software, Suchmaschinen, manuelle Vergleiche) ergibt, dass eine zufällige Textgleichheit ausgeschlossen werden kann. |
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| == Fußnoten == | | == Fußnoten == |
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